Gute Argumente für eine internationalisierte Schule

Argumente für die Internationalisierung der Schule und ihres Bildungsangebotes

von Tom Kurz und Meike Zepp

Das Kapitel zeigt, wie schulinterne Internationalisierungsprozesse helfen können, ein verändertes Lernklima und einen fairen Umgang miteinander zu schaffen. Klare Vereinbarungen, die den Bedürfnissen des pädagogischen Personals, der Eltern und der Schüler*innen entsprechen, unterstützen die positiven Wirkungen internationaler Kooperationen. Das Ziel einer Internationalisierung der Schule stellt die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung von globalen Kompetenzen ins Zentrum. Durch Verbindlichkeit in den Absprachen und Klarheit bei deren Umsetzung wird aber auch das Profil der Schule im Vergleich zu Schulen in der Kommune hervorgehoben und es die Einrichtung positioniert sich insgesamt als zukunftsgewandt.

Erwartungen an die Schule des 21. Jahrhunderts

Für jede Organisation und jedes Unternehmen, und für nahezu jede Arbeitnehmerin und jeden Arbeitnehmer gehören grenzüberschreitende Kooperationen und internationale Kontakte zum (beruflichen) Alltag. Kommunikative Kompetenzen, fremdsprachliche Kenntnisse und wertschätzende und perspektivübernehmende Einstellungen sind dafür unabdingbar. Konnten diese Kompetenzen früher im Laufe der Zeit in den verschiedenen beruflichen Kontexten erlernt werden, wird heute erwartet, dass junge Menschen sie bereits zum Start ihrer beruflichen Laufbahn erlangt haben.

Schule wird heute also mit der Erwartungshaltung konfrontiert, diese Kompetenzen im Laufe der schulischen Zeit jungen Menschen zu vermitteln. Das stellt das Bildungssystem vor eine große Aufgabe. Gleichzeitig liegt in der Vermittlung der im 21. Jahrhundert bedeutsamen Kompetenzen für junge Menschen aber auch eine große Chance für jede Schule.

Häufig wird die mit der Ausbildung dieser Kompetenzen verbundene Internationalisierung als eine zusätzliche Aufgabe verstanden und empfunden, mit der eine personelle, zeitliche und auch finanzielle Mehrbelastung einhergeht und die nicht zuletzt von der Eigenleistung einzelner Lehrkräfte abhängt.

Die oben aufgezeigten Kompetenzen sind dabei für verschiedene Bereiche von großer Bedeutung, etwa die Zusammenarbeit in der Schule selbst, die Reflektion über die Position der Schule im kommunalen Umfeld und im Vergleich zu weiteren Schulen, und nicht zuletzt auch die Rolle der Schule als Ort der Begegnung und des Raumes für Dialog zwischen unterschiedlichen Interessengebieten.

In unserer multikulturellen Gesellschaft sind globale Kompetenzen nämlich nicht nur eine Frage für den grenzüberschreitenden Austausch, sondern längst elementarer Bestandteil alltäglicher, zwischenmenschlicher Kommunikation in einer demokratischen Gesellschaft innerhalb der Landesgrenzen, sowie in städtischen, kommunalen und persönlichen und familiären Kontexten. 

Internationalisierung im Schulprofil – ein Gewinn in alle Richtungen

Schule ist seit vielen Jahren schon mehr als „nur“ der Ort, an dem Curricula umgesetzt und Wissen an alle Schüler*innen eines jeden Jahrgangs vermittelt werden. Seit vielen Jahren wächst das Bewusstsein für die Bedeutung der Schule als Ort der Begegnung verschiedener Menschen, gesellschaftlicher Schichten, sozioökonomischen Gegensätzen und unterschiedlichen Interessen.

Dabei sind Schulen nicht immer der Ort größter Vielfalt. Dies spiegelt sich auch in den Leitbildern von Schule wider, die häufig nur wenig auf internationale Themen, Internationalisierung oder gar große Diversität hinweisen. Die Integration internationaler Bezüge im Schulprofil bietet dabei eine große Chance für die Wirkung nach Innen und nach Außen.

Im idealen Fall wird das Ziel der Internationalisierung von allen Akteur*innen der Schule getragen und auf mehreren Schultern verteilt. Dies geschieht dann, wenn Internationales nicht als eine bloße zusätzliche Aufgabe gesehen wird, sondern ins Schulprofil integriert und als wirkliche Querschnittsaufgabe verstanden wird. Sie hilft mit dem ihr inhärenten Blick „nach Innen“ auch Schwachstellen und noch nicht diskriminierungsfreie blinde Flecken zu identifizieren. Mit einer gemeinsamen Diskussion zu der Umsetzung von Internationalisierung an der eigenen Schule können somit der gemeinsame Blick geschärft, eine gemeinsame Zielformulierung gefunden und eine Begeisterung für die Umsetzung der Ziele geschaffen werden. 

Natürlich bringt eine Internationalisierung auch eine Reihe von Fragen mit sich. So ergeben sich – wie bei vielen Veränderungsprozessen – möglicherweise Widerstände gegen „schon wieder“ ein neues Thema, Sorgen vor Veränderungen, Abwehrhaltungen gegen eine Dominanz von Internationalen im Vergleich zu anderen Themen.

Zusätzlich stellen sich bei internationalen Aktivitäten immer die Herausforderungen der Finanzierung der Aktivitäten (u.a. Reise- und Versicherungskosten), des Umgangs mit unterschiedlichen Voraussetzungen (Platz für die Aufnahme von ausländischen Gästen) und der „Vereinbarkeit“ mit den curricularen Rahmenbedingungen (Abwesenheiten der Schüler*innen vom Unterricht).

Die Beschäftigung mit Internationalität bringt auch die Beschäftigung mit Vielfalt in der Schüler*innenschaft, mit Erleben von Rassismus in der Schule und Konflikte zu unterschiedlichen Wertevorstellungen mit sich. Der gemeinsame Diskurs und anschließend die Aufnahme eines Ziels Internationalisierung der Schule in einem geschärften Schulprofil helfen dabei, Hindernisse gewinnbringend aus dem Weg zu räumen. Dabei sollten klare Vereinbarungen geschlossen werden, die sowohl den Bedürfnissen des pädagogischen Personals, der Eltern und der Schüler*innen entsprechen, als auch positive Wirkungen einer Internationalisierung von Schule verbreiten.

Eine solche Zielsetzung stellt die Umsetzung von Maßnahmen zur Förderung von globalen Kompetenzen ins Zentrum und schafft Verbindlichkeit und Klarheit für die Umsetzung. Dabei wird natürlich auch das Profil der Schule im Vergleich zu Schulen in der Kommune hervorgehoben und es erfolgt eine Positionierung als zukunftsgewandte Schule. 

Gewinn für die Schulgemeinschaft, Erfolge für jede*n Einzelne*n:
Internationalisierung als Katalysator für eine gute Schule

In der Beschäftigung mit Internationalisierung wird gemeinhin die Durchführung von Austauschmaßnahmen als wesentliche Aktivität wahrgenommen und die Umsetzung von Schulpartnerschaften durch Begegnungsfahrten in verschiedenen Klassenstufen (regelmäßig und über viele Jahre) als wesentlichen Aufgabe gesehen.

Dabei wird verkannt, dass bei der Umsetzung dieser Aktivitäten häufig nur ein Bruchteil der Schüler*innenschaft in den Genuss dieser interkulturellen Erfahrungen kommt. Hier liegt aber auch die besondere Chance der Internationalisierung einer Schule als Ganzes: Mit der Aufnahme in das Schulprofil kann es nicht nur bei einer Maßnahme für (einen Teil) einer Klassenstufe alle zwei oder drei Jahre bleiben, die das Schulprofil ausfüllt. Vielmehr geht es darum, Möglichkeiten der interkulturellen Erfahrung für alle Schüler*innen der Schule im Laufe der eigenen Zeit an der Schule zu ermöglichen. Wege dazu gibt es viele, die an anderer Stelle in dieser Toolbox beleuchtet werden.

Ergebnis dieser veränderten Breite der Aktivitäten ist eine Veränderung der Schule selbst. Eine weltoffene Schule, die Austausch und internationale Aktivitäten in alle Bereiche des schulischen Lebens integriert, verändert das Lernklima und den gemeinsamen Umgang. Sie wirkt verbindend und gemeinschaftsstärkend und fördert die Identifikation mit der Schule durch pädagogisches Personal, Schüler*innen und Eltern.

Durch die Ermöglichung von internationalen Erfahrungen für alle Schüler*innen wird die eigene (positive) Erfahrung mit der Zeit in der Schule verknüpft und hat nicht selten positive Auswirkungen auf die schulischen Leistungen, wie eine soziologische Studie zeigt, an der über 1000 ehemalige Austauschschüler*innen des Deutschen Youth For Understanding Komitee e.V. (YFU) teilnahmen [1]. 

Die anfangs beschriebene Bedeutung von grenzüberschreitender Aktivität und Kommunikation ermöglicht einen positiven und zielführenden Diskurs. Die Beschäftigung der Schule mit diesem Thema selbst wird auf wenig Widerstand stoßen, da eben die Bedeutung dieses Themas allen bekannt ist. Insofern besteht bei allen Hindernissen und Widerständen zumindest ein grundlegender Konsens, dass die individuellen Erfahrungen der Schüler*innen positiv und gewinnbringend für die eigene Lebensbiographie sind. 

Wenn Internationalisierung zur Schulkultur gehört, bringen Schüler*innen in einem weltoffenen Schulklima ihre Erfahrungen aus den internationalen Aktivitäten wieder in das Schulleben ein, eröffnen neue Perspektiven und helfen bei der kontinuierlichen Beschäftigung mit dem Thema weiter. Dabei bringen gerade Schüler*innen, die bisher ausgrenzende Erfahrungen gemacht haben, durch die Teilnahme an internationalen Aktivitäten neue Ideen zur Bewältigung von Konflikten innerhalb der Schule zwischen unterschiedlichen Wertevorstellungen gewinnbringend ein. 

Ein Praxisbeispiel

Ein besonderes Beispiel der Wirkung einer Integration von Internationalem in das Schulprofil ist die Gustav-Heinemann Gesamtschule in Alsdorf bei Aachen:

  • Durch den Prozess der Integration von Internationalisierung in das Schulprofil konnte die Schule nicht nur in diesem konkreten Bereich (Steigerung der Austauschmaßnahmen, Vermehrfachung internationaler Kontakte und Aktivitäten) wachsen, sondern die Schule hat auch in vielen anderen Bereichen (Anti-Gewalt, Rassismus, Nachhaltigkeit) weitere Schritte getan, die die Schule verändert hat.
  • Mittlerweile verfügt die Schule über ein großes Netzwerkt lokaler Partner, die zusammen unterschiedliche Themen an der Schule voranbringen.
  • Die Zahl der Schüler*innen ist im Vergleich zu den Nachbarschulen stark gestiegen. Eine größere (mediale) Aufmerksamkeit führt natürlich auch zu dem Engagement weiterer Lehrkräfte an dieser Schule und im Vergleich zu einfacheren und kürzeren Einstellungsverfahren von neuen Kolleg*innen. Internationalisierung wird als Querschnittsaufgabe verstanden und gelebt.

Die Aufnahmen von Internationalisierung in das Schulprofil leistet somit eine Vielzahl von positiven Zusatzeffekten neben der verbesserten Vorbereitung von Schüler*innen auf ihre (berufliche) Laufbahn. Dabei darf nicht vernachlässigt werden, dass das Erleben von internationalen Aktivitäten im Aus- UND im Inland selbst vielfältige erfreuliche Wirkungen hinterlässt.

Die Wirkung eigener Lernaufenthalte im Ausland auf die Persönlichkeitsentwicklung von ist gut dokumentiert [2] und kann bei einzelnen Personen zu lebensverändernden Perspektiven und biographisch Wendepunkten führen. Schon allein deswegen wäre ein verstärkter Fokus von internationalen Aktivitäten an der Schule wünschenswert.

Die weiteren positiven Wirkungen lassen mögliche Hindernisse und notwendige Diskussionen und Diskurse umso mehr sinnvoll und wertvoll erscheinen. 


Literatur

[1] Hürter, Lisbeth: „Entfernung schafft Klarheit. Die Auswirkungen eines im Ausland verbrachten Schuljahres auf die schulischen Leistungen und den weiteren Bildungsweg.“ 2009; vgl. "Schüleraustausch macht schlau!"

[2] vgl. u.a.: Thomas, A.; Chang, C.; Abt, H.: Erlebnisse, die verändern – Langzeitwirkungen der Teilnahme an internationalen Jugendbegegnungen. Göttingen 2006; sowie David J. Bachner und Ulrich Zeutschel: Students of four decades. Participants‘ reflections on the meaning and impact of an international homestay experience. Münster & New York: Waxmann Verlag, 2009.

Weiterführende Literatur und Links:

Trujillo, F. K. (2014). Von der Realität zur Normalität: Schule interkulturelle entwickeln. In: E. Vanderheiden & C.-H. Mayer (Hrsg.): Handbuch Interkulturelle Öffnung. Grundlagen, Best Practice, Tools (S. 226-236). Vandenhoeck & Ruprecht. https://doi.org/10.13109/9783666403613.226

Kultusministerkonferenz (2013). Empfehlung Interkulturelle Bildung und Erziehung in der Schule.

Rolff, H.-G. (2016). Schulentwicklung kompakt. Modelle, Instrumente, Perspektiven (3. Auflage). Beltz Verlag.
 

Kontakt
Tom Kurz
Tom
Kurz
Teamleitung Vereinsentwicklung & stellv. Geschäftsführer bei Experiment e.V.

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