Internationale Begegnungen bereichern – und brauchen politische Unterstützung

Es ist kurz vor acht Uhr am Morgen, als die ersten Gäste in der „Académie der schönsten Künste in der Stuttgarter Innenstadt eintreffen. „Austausch macht Schule“ hatte eingeladen zum Parlamentarischen Frühstück - auf dem Programm stehen: kurze Informationen, Diskussionen und Begegnungen über den internationalen Jugend- und Schüleraustausch. Gekommen sind zehn Abgeordnete des Landtags sowie Vertreter:innen aus Schulen und der Jugendarbeit sowie von den bundesweiten Fach- und Förderstellen der Internationalen Jugendarbeit.
Stephan Erb, Geschäftsführer des Deutsch-Polnischen Jugendwerks und Sprecher der Initiative, eröffnet die Veranstaltung. Gemeinsam mit Kolleg:innen anderer bundesweiter Fach- und Förderstellen stand er auch im Anschluss für Gespräche zur Verfügung.
Bernd Böttcher, Projektleiter der Initiative, gibt einen Einblick in die aktuelle Situation: Noch immer liegt die Zahl der Projekte und der Teilnehmenden an Austauschprogrammen im Bereich des kurzfristigen Jugendaustausches unter dem Stand von 2019. „Steigende Kosten, hohe organisatorische Aufwände und eine Finanzierung, die kaum mehr ausreicht – das sind derzeit die größten Herausforderungen", sagte er. Drittortbegegnungen nehmen zu, da es schwieriger wird, Unterkünfte in Gastfamilien zu finden. Gleichzeitig entstehen neue Formate, etwa Ein-Tages-Begegnungen in Grenzregionen oder hybride Angebote. Austauschprojekte sind also vielfältiger geworden – aber sie benötigen flexible Förderbedingungen und anhaltende Unterstützung für die Menschen, die sie umsetzen.
Welche Wirkung Austausch konkret entfalten kann, zeigen dann zwei Beispiele aus der Praxis:
Stefanie Reuschenbach, Lehrerin an der Jörg-Rathgeb-Schule in Stuttgart, berichtet von ihrer Schulpartnerschaft mit einer Schule im polnischen Łódź. „Unsere Schülerinnen und Schüler gewinnen Sprachpraxis, Selbstvertrauen und erleben tiefgreifende interkulturelle Erfahrungen. Viele von ihnen kommen sonst nicht aus Stuttgart heraus.“
Doch sie nennt auch Herausforderungen: Hoher Organisationsaufwand und stark belastete Lehrkräfte, fehlende Möglichkeiten, dass Familien Gastschüler aufnehmen können, zu hohe Teilnahmebeiträge.
„Wir machen das, weil wir überzeugt sind. Aber wir stoßen an Grenzen.“
Das zweite Beispiel kommt aus der außerschulischen Jugendarbeit.
Jovanna Schneider, Akademiereferentin beim Internationalen Forum Burg Liebenzell, stellt das Erasmus+-Projekt We Are EU-rope vor – ein trilaterales Jugendprojekt, das das Bildungshaus nahe Stuttgart mit Schulen aus Deutschland, Frankreich und Dänemark organisiert. Die Zusammenarbeit zwischen den Schulen und der Bildungseinrichtung war dabei zentraler Erfolgsfaktor. „Internationaler Austausch ist mehr als Sprachvermittlung. Er ist gelebte Demokratiebildung“, so Schneider.
Damit Austausch kein Privileg bleibt, braucht es gemeinsame Anstrengungen und gezielte Förderung aller beteiligten Akteure.
In der anschließenden Diskussion mit den Landtagsabgeordneten war schnell klar: Die Finanzierung ist nach wie vor eine zentrale Hürde. 220 Euro Teilnahmebeitrag für eine Fahrt nach Polen sind für viele Familien schlicht zu viel. Gerade Schüler:innen, die nicht aus der oberen Mittelschicht stammen, haben ohne Förderung kaum Zugang zu solchen pädagogisch begleiteten Austauschprojekten, und ohne diese kaum den Mut, sich einmal einer internationalen Erfahrung zu stellen.
Doch viele Förderprogramme sind schon in der ersten Jahreshälfte erschöpft, so auch die des Deutsch-Polnischen Jugendwerks:
„Rund 190 beantragte und förderfähige Projekte konnten 2024 nicht bewilligt werden“, erklärte Stephan Erb für das Deutsch-Polnische Jugendwerk. „Die Nachfrage ist deutlich höher, als die Mittel, die uns zur Verfügung stehen.“
Das bestätigte auch Sandra Schmidt, Referatsleiterin Berufliche Bildung beim Deutsch-Französischen Jugendwerk.
Zugleich wurde deutlich, wie stark die Belastung der Schulen insgesamt ist. Lehrkräftemangel, wachsende Anforderungen und begrenzte Ressourcen im Schulalltag treffen außerunterrichtliche Angebote wie den internationalen Austausch besonders hart.
Deshalb ging es in der Diskussion auch um die Frage, wie Lehrkräfte entlastet und Schulen in ihrer Rolle als zentraler Bildungsort besser unterstützt werden können. Dabei wurde betont, dass außerunterrichtliche Angebote wie der internationale Austausch nicht allein auf den Schultern der Schulen liegen dürfen.
Außerschulische Bildungsträger und Träger der kommunalen Jugendarbeit können hier wichtige Partner sein – vorausgesetzt, sie verfügen selbst über ausreichende Ressourcen und stabile Strukturen. Auch sie leiden vielerorts unter Finanzierungslücken und hoher Belastung.
„Das Internationale darf kein 'on top' sein", sagt Alicia Holzschuh von JUGEND für Europa, „sondern muss strukturell verankert und langfristig unterstützt werden.“
Ein gelungener Austausch zur richtigen Zeit
Das Parlamentarische Frühstück hat gezeigt: Der Bedarf an gegenseitigem Informationsaustausch ist da, das Engagement vieler Akteure in Jugendarbeit, Schule und Politik groß, die politischen Fragen klar. Es braucht weiterhin die kontinuierliche Unterstützung, damit eine internationale Austauscherfahrung kein Luxus bleibt, sondern allen jungen Menschen offensteht, besonders den, die sich ohne eine Förderung eine Teilnahme nicht leisten könnten.
„Austausch macht Schule“ ist eine gemeinsame Initiative von zehn bundesweiten Fach- und Förderstellen der internationalen Jugendarbeit. Seit 2015 setzt sie sich dafür ein, dass internationale Austauschprojekte fester Bestandteil von Schule und kommunaler Bildungslandschaft werden.
Beim Format des Parlamentarischen Frühstücks bringt die Initiative Vertreter:innen aus Politik, Praxis und Verwaltung ins Gespräch. Damit soll ein besseres Verständnis des komplexen Feldes der internationalen Bildung ermöglicht werden – und Erfahrungen und Bedarfe aus der Praxis in politische Entscheidungsprozesse eingebracht werden können.