Good Practice

Globales Lernen am Theodor-Fliedner-Gymnasium

von Alfons Scholten
Globales Lernen am Theodor-Fliedner-Gymnasium Düsseldorf

Seit einiger Zeit arbeitet die Fachgruppe Globales Lernen" am Theodor-Fliedner-Gymnasium (TFG) Düsseldorf-Kaiserswerth im Rahmen des Schulentwicklungsprozesses an der Frage, wie ,Globales Lernen' verstanden werden soll und welche Konsequenzen sich daraus für die weitere Arbeit in den Gremien der Schule ergeben. Im Sommer 2023 verfasste die Fachgruppe dazu ein erstes Diskussionspapier, das sich mit verschiedenen Aspekten befasst:

Das globale Lernen ist Teil der DNA

Theodor Fliedner war als Gründer der Kaiserswerther Schwesternschaft ein global denkender und handelnder Pfarrer und Sozialreformer. Eine Schule, die sich auf ihn beruft, hat also die globale Bildung in ihrer DNA und ist ohne diese nicht vorstellbar.

Heute zeigt sich diese Prägung z. B. daran, dass das TFG seit 2021 für das Erasmus+ Programm akkreditiert ist. Gemäß den dort formulierten Zielen wird es in der Programmlaufzeit bis 2027 nicht darum gehen, immer mehr Projekte neben den bestehen Angeboten zu entwickeln, sondern bestehende Angebote (Sprachaustausch, Berufspraktika, Einzelaustausch, ...) durch die Integration der europäischen Idee zu vertiefen. Ebenfalls seit 2021 ist das TFG aktives Mitglied des Programms „Schule:Global" und verfolgt damit drei komplementäre Ziele: 

  • kein Schulabschluss ohne Angebot zur Teilnahme an einem Projekt des globalen Lernens, 
  • Aufbau einer Fachgruppe globales Lernen und 
  • Verbesserung der schulinternen und schulexternen Sichtbarkeit der Projekte des globalen Lernens.

Globale Bildung ist systemrelevant

Im Qualitätstableau NRW wird mehrfach auf die Bedeutung der Projektarbeit für den Erwerb von sozialen und personalen Kompetenzen verwiesen. Die wissenschaftliche Forschung zu den Wirkungen von internationalen Begegnungen bestätigt, dass Begegnungsprojekte die personalen und sozialen Kompetenzen der Schüler:innen (Verantwortungsbereitschaft, Selbstbewusstsein, Konfliktfähigkeit, Teamfähigkeit, Toleranz) merklich stärken. Globale Bildung ist also systemrelevant für eine qualitätsorientierte schulische Bildung.

In den Begegnungsprojekten werden zudem Konzepte und Methoden erprobt, die für eine neue Lernkultur von Bedeutung sind. Die Projekte des Globalen Lernens sind zudem „gelebte Fortbildung": Durch die Begegnungen mit Kolleg:innen aus anderen Schulen lernen die Lehrkräfte viel über die andere und die eigene Schul- und Arbeitskultur. Außerdem lernen die Schüler:innen in Begegnungsprojekten Konzepte und Methoden des situierten Lernens kennen und können diese ausprobieren: 

  • projektbezogene Teamarbeit und konstruktive Kooperation sowie Arbeit jenseits des 45-Minuten-Zeitschemas, 
  • fächerübergreifendes Lernen und Lernen an außerschulischen Lernorten sowie Aufbau von konjunktivem Wissen zur Entwicklung der Persönlichkeit und 
  • eigenverantwortliches Arbeiten mit authentischen Herausforderungen und Selbststeuerung der Lernprozesse.

Globale Bildung braucht professionelle Arbeitsbedingungen für ein qualitativ hochwertiges Angebot

Globales Lernen geschieht nicht von selbst, sondern es ist vielmehr die Aufgabe der Lehrkräfte in Kooperation mit den Kolleg:innen der anderen beteiligten Schulen eine projektspezifische Methodik und Didaktik zu entwickeln, die allen Schüler:innen in diesem konkreten Begegnungsprojekt interkulturelles Lernen ermöglicht. Ein qualitativ hochwertiges Angebot zu schaffen, heißt u.a.: 

  • eine anspruchsvolle interkulturelle und materielle Vorbereitung sowie ein hochwertiges Programm entwickeln, vorbereiten und gewährleisten, um ein voneinander-, miteinander- und übereinander-Lernen realisieren zu können, 
  • Bildung von europäischen Tandems oder Teams mit komplementären Kompetenzen in Sprache, IT, Thema und Teamarbeit nach vorheriger Kompetenzfeststellung, 
  • herausfordernde Aufgaben für die europäischen Tandems bzw. Teams entwickeln, die nur kollaborativ bearbeitet werden können, 
  • im Lehrer:innenteam gemeinsam die Verantwortung für das Lernen aller Schüler:innen übernehmen und Absprachen zum Mentoring der Tandems oder Teams treffen, Feedback einüben, sich über Bewertungsmaßstäbe austauschen,
  • eine Auswertung gemäß all-gemeiner Standards (z. B. iEval) vorbereiten und durchführen,
  • eine Dokumentation in angemessener Form, z. B. mit Hilfe von eTwinning, erstellen,
  • eine wertschätzende Zertifizierung der Lernerfahrungen anbieten (z. B. EuroPass).

Weil alle Schüler:innen ein Recht auf Förderung ihrer sozialen und personalen Kompetenzen haben, muss globales Lernen regulärer Bestandteil jeder Bildungsbiographie am TFG werden. Auch aus Sicht der Lehrkräfte müssen die Projekte des globalen Lernens Teil des beruflichen Alltags und entsprechend anerkannt werden. Die für die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung eines Projektes mit Hin- und Rückbegegnung sowie begleitende Teamarbeit benötigte (oft unsichtbare und fremdsprachige) Arbeitszeit entspricht im Allgemeinen einem Grundkurs in der Oberstufe.

Globales Lernen ist projekt- und zielorientiertes sowie partizipatives Lernen in Begegnungsprojekten und beruht auf Gegenseitigkeit

Globales Lernen hat interkulturelle Handlungsfähigkeit zum Ziel und sensibilisiert für Selbst- und Fremdbilder, formt Empathie und eine erweiterte Denkungsart durch Perspektivenwechsel. Für Globales Lernen braucht es deshalb intensive projekt- und zielorientierte Zusammenarbeit über einen längeren Zeitraum (5 Tage) mit einem oder mehreren Partnern, um so Vorurteile abzubauen und neue Freundschaften zu schließen.

Die Projekte im Rahmen Globalen Lernens orientieren sich an den Grundsätzen der Begegnungspädagogik:

  • Bildung ist mehr als Leistung und Orientierung an den Notwendigkeiten zukünftiger Arbeitsmarktanforderungen.
  • Begegnungsprojekte bieten eine Kultur des Zutrauens und Vertrauens damit Schüler:innen ihre individuellen Fähigkeiten ausprobieren und entdecken können.
  • Begegnungsprojekte stärken das Selbstbewusstsein der Schüler:innen und die Bereitschaft, sich eigenverantwortlich für Frieden, Gerechtigkeit und die Bewahrung der Schöpfung zu engagieren.

Folgende Prinzipien der Methodik und Didaktik der Begegnungspädagogik prägen das globale Lernen: 

  • ‚Learning by Doing‘ als Lernkonzept und Ersatz der Gastgeber-Gast-Schemata durch gleichberechtigte und projektorientierte Zusammenarbeit in internationalen Tandems oder Teams, um ein gemeinsam vereinbartes Ziel zu erreichen, 
  • Offenheit der Projektarbeit für die Partizipation der Schüler:innen und fortschreitende Verantwortungsübernahme der Schüler:innen in der Begegnung, z. B. durch Bildung eines Projektrates,
  • Begegnungen mit starken Persönlichkeiten, wichtigen Lernorten und anderen Lebenswelten als Impuls für die Persönlichkeitsentwicklung,

Begegnungsprojekte enden nicht mit der Feststellung, dass wir verschieden sind, sie beginnen vielmehr mit dieser Feststellung und erproben Methoden der Kollaboration, die eine ,Einheit in versöhnter Verschiedenheit' ermöglichen.

Die globale Bildung strukturell absichern

Um die globale Bildung dauerhaft am TFG zu verankern, müssen die Schulstrukturen, aus dem Bereich des Zufälligen heraus geholt und so verändert werden, dass Schüler:innen, Eltern und Lehrkräfte langfristig darauf zählen und diese systematisch weiterentwickelt werden können. Hierzu ist es zunächst nötig, eine „Fachgruppe“ und eine „Servicestelle" globales Lernen einzurichten.

Eine Fachgruppe „Globales Lernen" am TFG, an deren Aufbau seit 2001 gearbeitet wird, hätte u. a. folgende Aufgaben: 

  • Erfahrungs- und Informationsaustausch, 
  • gemeinsame Fortbildung zu Aspekten des interkulturellen Lernens, um für Routinen und Standards formulieren zu können,
  • Koordination von interkulturellen Fortbildungsaktivitäten, 
  • Entwicklung einer „school diplomacy" für die zukünftige Zusammenarbeit mit Partnerschulen (Ukraine/Osteuropa, Westbalkan, dt.-ndl. Euregio, ...),
  • schuljahrübergreifende Planung der globalen Bildungsarbeit am TFG.

Um das parochiale Denken zu überwinden und die steigenden administrativen Anforderungen bewältigen zu können, ist es ein weiteres Ziel, in Kooperation mit weiteren EKiR-Schulen, eine „Servicestelle globales Lernen" aufzubauen, die die beteiligten Lehrer:innen von Verwaltungsarbeit entlastet, damit sie sich umso intensiver um die methodischen und didaktischen Aufgaben kümmern können.

Veröffentlicht am: 05.08.2024
Kontakt
Alfons
Scholten
Lehrer für Geschichte, Politik und kath. Religion am Theodor-Fliedner-Gymnasium in Düsseldorf-Kaiserswerth, Mitglied in der Fachgruppe „Globales Lernen“