Good Practice

„Was fremd ist, sollte nicht fremd bleiben“

Ein virtueller Schulaustausch mit dem deutsch-türkischen „Creative Swap“
Creative Swap

Die Schüler:innen von Nüket Erol aus dem türkischen Dalaman und von Susannah Friesicke aus Hamburg haben das Programm „Creative Swap“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke genutzt, um sich digital über Grenzen hinweg auszutauschen. Entstanden ist nicht nur eine virtuelle Foto-Ausstellung, die über die beiden Schulen hinausstrahlte, sondern auch mehr Selbständigkeit bei den Jugendlichen und viele neue Freundschaften. Wie es nun weitergehen soll – da haben beide Schulen unterschiedliche Pläne.

Ich besuche regelmäßig das Goethe-Institut in Izmir, schaue auch des Öfteren auf die Website vom Goethe-Institut, um neue Angebote und Projekte zu finden. So bin ich auf die Deutsch-Türkische Jugendbrücke gestoßen“, erzählt Nüket Erol, Lehrerin an dem Bahçeşehir Koleji, Dalaman.

Nachdem sie selbst mehrere Schulen in Deutschland angeschrieben hat, darauf aber nie Antworten bekam, holte sie sich Unterstützung: „Ich habe nicht lange warten müssen, in kürzester Zeit kam eine Mail von Alina Karadeniz von der Jugendbrücke mit der Anfrage einer Schule aus Hamburg“. So fand sie mit der Deutsch- und Englischlehrerin Susannah Friesicke der Stadtteilschule Oldenfelde zusammen.

Creative Swap

Das Online-Programm „Creative Swap“ der Deutsch-Türkischen Jugendbrücke fördert die Social Media-Kompetenz junger Menschen und verbindet sie mit interkulturellem Austausch – digital, kostenlos und ohne viel organisatorischen Aufwand für die Lehrkräfte. Die Auswahl und das Briefing der Schüler:innen übernahmen natürlich die jeweiligen Schulen: „Da die Kommunikationssprache des Projektes Englisch war, habe ich hauptsächlich Schüler:innen mit guten Englischkenntnissen ausgesucht, die eine Vorliebe für das Fotografieren haben und verantwortungsbewusst sind“, erklärt Nüket Erol.

In Hamburg erfolgte die Auswahl der Schüler:innen aufgrund der Kurszugehörigkeit:

„Schüler:innen aus meinem Kurs und dem einer Kollegin hatten Lust auf etwas Englischunterricht jenseits von Arbeitsbuch und Worksheet, von Vokabeln lernen und Lern-Apps“, so Susannah Friesicke.

Sie wollte ihren Schüler:innen ermöglichen, die Sprache zu nutzen, ja nutzen zu müssen für die Kommunikation mit Gleichaltrigen.

Creative Swap

Für die Workshops teilten Nüket Erol und Susannah Friesicke ihre Schüler:innen in Kleingruppen, sorgten für Arbeitsräume, prüften, ob alle mit Laptops und Handys ausgestattet sind. Die inhaltliche Leitung lag bei der Agentur „Friendzone.Studio”, die das Projekt auch konzipiert und organisiert haben.

Bei den Workshops vertieften die Jugendlichen nicht nur ihre Kenntnisse der Fotografie und erstellten mit den Ergebnissen ihre eigene Online-Ausstellung, sie reflektierten auch ihre Mediennutzung und lernten, sich im digitalen Raum sicher zu bewegen.

„Während der drei Workshop-Termine bin ich von Gruppe zu Gruppe gegangen, habe den Verlauf verfolgt, ob es Kommunikationsschwierigkeiten gibt und ob die Verbindung klar ist. Ich habe Fotos gemacht und einen Videostream erstellt, welcher auf der Instagram-Seite unserer Schule gepostet wurde“, so Nüket Erol.

Die anstehenden Aufgaben und Treffen hat sie mit ihren Schüler:innen besprochen und zum Beispiel die Fotos vorab geprüft.

„Ich gab aber nur selten Ratschläge für die Fotos, da es heutzutage für die Jugendlichen zu einer Selbstverständlichkeit geworden ist, mit dem besten Licht, aus der besten Perspektive, das vorteilhafteste Motiv zu fotografieren“, erklärt Nüket Erol.

Susannah Friesicke mischte sich bewusst nicht ein:

„Das Prüfen der Fotos habe ich in die Hand der erfahrenen Fotografin von Creative Swap bzw. dem Friendzone Studio gelegt, die ja auch die Schüler:innen mit Aufgaben und Feedback versehen haben. Das war eine gute Gelegenheit, die Schüler:innen zur Selbständigkeit anzuregen: Denn wer zum verabredeten Zeitpunkt kein Foto eingereicht hatte, kam in der Besprechung einfach nicht vor, was dann eine gute Motivation war, schnell noch die Fotos nachzureichen.“

Freundschaften entstanden

Creative Swap

Durch den digitalen Austausch kam es zu Freundschaften zwischen den Schüler:innen, sie bleiben über verschiedene digitale Kanäle weiter in Kontakt. Ob es auf institutioneller Ebene weitergeht, ist noch unklar: „Meine Schüler:innen und ich hätten das Projekt gerne fortgesetzt, aus dem digitalen einen analogen Kontakt hergestellt und sich gegenseitig besucht“, erklärt Nüket Erol. Für die Stadtteilschule Oldenfelde hingegen ist ein analoger Austausch momentan nicht durchführbar: „Wahrscheinlich sind wir mit unterschiedlichen Absichten bei Creative Swap gelandet. Für mich war es ein in sich geschlossenes Projekt“, sagt Susannah Friesicke.

Die Verbindung des deutsch-türkischen Austauschs mit Kreativem und Digitalem gefiel ihr, da es der Lebenswelt ihrer Schüler:innen entspricht. Nüket Erol sagt, sie wäre nun offen für eine Zusammenarbeit mit einer anderen Schule: „Mit dieser verantwortungsbewussten Gruppe bin ich mir sicher, dass wir überall hingehen und jedes Projekt ohne Probleme umsetzen könnten.“ Aber die Erfahrung mit Creative Swap möchte sie natürlich nicht missen:   

„Mein Ziel waren vor allem, dass meine Schüler:innen außerhalb des Unterrichts, für sich und die Schule aktiv sind, dass sie in der Gruppe Verantwortung übernehmen und zusammenarbeiten. Sie sollten sich überwinden, neue Jugendliche kennen- und sich gegenseitig verstehen zu lernen. Sie sollten einander Fragen stellen und versuchen zu beantworten – zur Schule, zum Leben, zur Gegenwart und Zukunft, halt zu allem was sie betrifft. Sie sollten Empathie gegenüber einer anderen Nation erlernen. Was 'fremd' ist, sollte nicht fremd bleiben. Wir sollten voneinander lernen. Außer dem realen Treffen haben wir alle unsere Ziele erreicht. Meine Schüler:innen und ich hatten viel Spaß und haben viel gelernt.“

Creative Swap

Die Arbeit mit Social Media ist an beiden Schulen im Alltag verankert. Nüket Erol erzählt:

Instagram ist kein Neuland für mich. Ich arbeite in einem privaten College und meine Schule hat selbst einen Instagram Account. Wir Lehrkräfte haben die Einwilligung der Eltern, die Unterrichtsphasen, die Schüler:innen während des Unterrichts, den Einsatz von Spielen und verschiedenen Methoden und Materialien zu fotografieren.“

Durch den Social-Media-Redakteur der Schule werde alles überprüft, gefiltert und dann auf dem Instagram Kanal der Schule gepostet.

„So können die Eltern täglich mitverfolgen, was ihre Kinder gelernt, gemacht, geübt haben, welche Aktivitäten sie heute durchgeführt haben usw. Heutzutage ist es notwendig, sich an Zeit und Technik anzupassen. Ich denke, wir sollten mit der Technologie mithalten“, so die Deutschlehrerin. „Auch bei uns ist Instagram natürlich fest verankert, unsere Schule hat mehrere Kanäle, die Schüler:innen nutzen es recht häufig. Obwohl Insta inzwischen ja schon von den Lehrer:innen okkupiert wird und die Jugendlichen weiterziehen müssen, nach Tiktok oder zu Snapchat“, so Susannah Friesicke.

Trotzdem sei Instagram eine Plattform, auf die man sich zwischen den Generationen gut einigen könne.

 

Ein Beitrag von Christine Bertschi

Veröffentlicht am: 25.07.2023