Veranstaltungsbericht

Internationale Bildungsarbeit in politisch unsicheren Zeiten

Tagung zur politische Dimensionen internationaler Bildungs- und Jugendarbeit

In Bad Urach fand vom 20.-22. September 2017 die dritte Tagung der Reihe Politische Dimensionen internationaler Bildungs- und Jugendarbeit statt.

Eingeladen hatte die Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg in Kooperation mit dem Pädagogischen Austauschdienst des Sekretariats der Kultusministerkonferenz, dem Arbeitsbereich Non-formale Bildung der Technischen Hochschule Köln sowie 2017 erstmalig der Initiative „Austausch macht Schule“.

Programm der dritten Tagung

Auf dem Programm standen Vorträge und Diskussionen, die sich verschiedenen Aspekten der formalen und non-formalen internationalen Bildungsarbeit widmeten. Zunächst wurde in Zeitdiagnosen der aktuelle Stand der politischen Entwicklungen in den Partnerländern Türkei und Frankreich skizziert.

An drei Best Practice Beispielen – einem europäischen Kooperationsprojekt, einem Ansatz, biografische Zugänge in der internationalen politischen Bildung nutzbar zu machen, sowie den bi- und internationalen Austauschbeziehungen der städtischen Schulen in München – konnten dann Möglichkeiten und Standards aufgezeigt werden, wie die politische Dimension in der Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung internationaler Austauschprogramme angemessen berücksichtigen werden kann.

Exemplarisch wurden Austauschprogramme sowie Jugend- und Bildungsarbeit mit den USA, mit der Türkei und mit Polen vorgestellt. Vertreten waren hierbei u.a. die U.S. Botschaft Berlin mit dem stellvertretenden Kulturattaché und der damit betrauten Austauschreferentin, das Deutsche YFU Komitee, die Deutsch-Türkische Jugendbrücke sowie das Internationale Forum Burg Liebenzell und die Internationale Jugendbegegnungsstätte in Oświęcim/Auschwitz.

Die Diskussionen konzentrierte sich auf die zwei Fragen:

  • Wie gehen wir auf die politischen Entwicklungen in diesen Ländern ein?
  • Gibt es Ansätze in der politischen Bildung, die den Leiterinnen und Leitern solcher Programme theoretisch und praktisch weiterhelfen?

Die Tagungsreihe

Die Expertentagung in Bad Urach war Teil der Reihe Die politische Dimensionen internationaler Bildungs- und Jugendarbeit, die seit 2014 von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg organisiert wird.

Hintergrund

Bei Begegnungen im Rahmen internationaler Austauschprogramme ist die politische Dimension zwar eine relevante Hintergrundfolie, in der Praxis wird sie jedoch nicht immer für eine kritische Reflexion zur Förderung der politischen Urteilsfähigkeit der Teilnehmenden genutzt. Das Potenzial der politischen Bildung schwingt oftmals nur am Rande mit.

Im Mittelpunkt binationaler und internationaler Veranstaltungen stehen meist Begegnung und Austausch auf individueller Ebene sowie interkulturelle Lernprozesse. Politische, soziale und ökonomische Bedingungen in den Ländern der beteiligten Partnerorganisationen werden dabei hingegen seltener thematisiert.

Daraus ergeben sich grundlegende Fragen:

  • Wie kann dieser „Verlust des Politischen“ im konzeptionellen Arrangement der internationalen Jugend- und Bildungsarbeit korrigiert werden?
  • Welche konzeptionellen Formen müssen entwickelt werden, um einerseits den sozialen und touristischen Ansprüchen an eine Jugendbegegnung gerecht zu werden und die vermeintlich „unpolitischen“ Inhalte angemessen zu würdigen, andererseits jedoch die angesichts der weltweiten politischen Veränderungen notwendigen Thematisierungen des Politischen und die politischen Bildungsmöglichkeiten, die sich in einer Jugendbegegnung eröffnen, nicht zu vernachlässigen?

Anliegen und Spektrum der Reihe

Insgesamt muss sich die internationale Jugend- und Bildungsarbeit fragen, welchen politischen Bedingungen sie unterliegt. Welchen Einfluss kann sie selbst in Bezug auf die Gestaltung der Rahmenbedingungen entfalten. Welche Wissensbestände sind notwendig, um internationale Jugendbegegnungen zu planen und durchzuführen. Und nicht zuletzt: Wie lässt sich politische Bildung als Querschnittthema stärker in Lern- und Bildungskonzepte integrieren?

Inhaltlicher Schwerpunkt der Tagungsreihe ist die Erarbeitung eines kritisch-reflexiven Verständnisses von politischer Bildung in Abgrenzung zu Ansätzen des interkulturellen Lernens, sozialem Lernen und Demokratielernen. Hierfür ist eine angemessene Verbindung zur Wissenschaft und Praxis der internationalen Jugend- und Bildungsarbeit zu schaffen, um den Diskurs zwischen internationaler Jugendarbeit und politischer Bildung zu intensivieren.

Rückblick

Die wesentlichen Inhalte und Ergebnisse der Tagungsreihe lassen sich wie folgt skizzieren:

Internationale Jugendbegegnungen und Politische Bildung (29.9.-1.10.2014)

Die Tagung konzentrierte sich zunächst auf eine Bilanzierung unterschiedlicher (fach-)didaktischer Perspektiven:

  1. Europäische Begegnungen wurden aus politikdidaktischer Sicht analysiert.
  2. Angereichert wurde die politikdidaktische Perspektive durch die Sichtweise der non-formalen politischen Bildung.
  3. Aus der Perspektive der vergleichenden Bildungsforschung konnten schließlich Indikatoren zur Bildungswirkung von Schüleraustauschprogrammen vorgestellt werden.
  4. Mehrere Organisationen skizzierten und bilanzierten den aktuellen Stand ihrer Austauschprogramme mit Blick auf die politische Dimension.

Die Diskussionen konzentrierten sich u.a. auf folgende Fragen:

  • Worin liegt der politische Gehalt internationaler Jugendbegegnungen?
  • Wie kann das politische Profil von Jugendbegegnungen gestärkt werden?
  • Welche Angebote gibt es, die diesen Ansprüchen gerecht werden?
  • Müssen spezifische Angebote mit einem entsprechenden Profil entwickelt werden?

Die Ergebnisse der Expertentagung sind in der Buchreihe „Non-formale politische Bildung“ dokumentiert (Gottfried Böttger, Siegfried Frech, Andreas Thimmel (Hrsg.): Politische Dimensionen internationaler Begegnungen, Schwalbach/Ts. 2016)

Internationale Bildungsarbeit in politisch unsicheren Zeiten - I (21.-23.9.2015)

Zwei Leitfragen standen im Zentrum:

  • Ist die Krise (inzwischen) das Normale?
  • Wie können Träger und Maßnahmen der internationalen Bildungs- und Jugendarbeit, des Schüleraustauschs und der schulbezogenen Mobilität auf Zeitdiagnosen konzeptionell bzw. didaktisch angemessen reagieren?

Ausgehend von diesen Leitfragen wurden

  1. im Rahmen einer politikwissenschaftlichen Analyse „entgrenzte Demokratien“ und veränderte politische Parameter der internationalen Weltordnung erörtert.
  2. Die Re-Politisierung der internationalen Bildungsarbeit wurde exemplarisch aus Sicht der non-formalen Bildungsarbeit, der internationalen Jugendarbeit und der Perspektive der Schulbegegnungen erörtert.
  3. Aus dieser Bestandsaufnahme resultierten Erwartungen und Desiderate, die in einem Dialog zwischen Vertreter/-innen aus Wissenschaft und Praxis gesammelt und konkretisiert wurden.

Ausblick

Die Tagungsreihe wird 2019 mit einer weiteren Expertentagung vom 25.-27.9.2019 fortgesetzt.

Prof. Siegfried Frech,
Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg

Veröffentlicht am: 08.01.2018
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