Fachbeiträge

Schüleraustausch – Luxus oder Bildung?

Ist Schüleraustausch überflüssiger Luxus oder notwendiger Bestandteil von Bildung?
Deutsche und israelische Jugendliche bei einer Begegnung

Hierauf gibt es eine kurze Antwort:
Nein, Schüleraustausch ist nicht überflüssig und auch kein Luxus* . Punkt. Wer meiner Meinung ist, darf hier aufhören zu lesen.

Und es gibt eine ausführlichere Antwort:
Bildung soll – so sehe ich das – den Jugendlichen, den Schülern, dienen. Und aus dieser Perspektive ist auch meine Antwort zu verstehen. Es gibt natürlich viel mehr Interessen und deren VertreterInnen (Eltern, Lehrer, Wirtschaft, Gesellschaft…), die hier eine Rolle spielen, aber die lasse ich unberücksichtigt. So viel Platz ist nicht. Ist Schüleraustausch also aus der Perspektive der Schülerinnen und Schüler überflüssig oder notwendig?

Und ist er Bestandteil von Bildung? Wenn ich Bildung als Persönlichkeitsbildung und -entwicklung verstehe – also nicht ausschließlich als Wissensvermittlung – dann muss ich fragen, welchen Beitrag Schüleraustausch für die Entwicklung einer Persönlichkeit leisten kann. Die Teilnahme an internationalen Austauschprogramme prägt, das haben Studien (z.B. von Thomas, Chang, Abt 2007: Erlebnisse die verändern. Langzeitwirkungen der Teilnahme an internationalen Jugendbegegnungen) gezeigt. Austausch wirkt demnach vor allem auf der Ebene der Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf Selbstsicherheit, Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, soziale Kompetenz, Offenheit für Neues, interkulturelle Kompetenz.

Aber Achtung: Mit dem Zusammenbringen verschiedener Schülergruppen ist es nicht getan, auch das zeigen Erfahrungen. Der Kontakt zu einer anderen Kultur allein verstärkt keine soziale Kompetenz und auch Offenheit für Neues muss häufig erst entstehen. Hierbei hilft die gemeinsame Arbeit an einem Thema oder Projekt. Ein Thema, das die Mehrheit der beteiligten Schülerinnen und Schüler und natürlich auch der begleitenden Pädagoginnen und Pädagogen interessiert, im Idealfall begeistert, kann eine Brücke über anfängliche Verständigungsbarrieren sein. Die gemeinsame Arbeit hilft dabei zu entdecken, dass die Unterschiede zwischen Menschen vielschichtiger und mehrdimensionaler sind als man das anhand von Sprachen und Ländergrenzen feststellen kann. Und ist dann erst einmal etwas Gemeinsames geschafft (ein Theaterstück aufgeführt, eine Zeitung gedruckt oder ein Bauvorhaben beendet), bleibt auch die Erinnerung – nicht an flüchtige Begegnungen sondern an ein prägendes Erlebnis.

Dies ist kein messbarer Wissenserwerb, was die Anerkennung von internationalen Austauscherfahrungen im Schulkontext erschwert und manche engagierte Lehrkraft verzweifeln lässt. Nichtsdestotrotz soll Schule nicht nur abrufbares Wissen vermitteln sondern allseits gebildete Persönlichkeiten hervorbringen. Gerade über Schule können wir alle Jugendlichen eines Jahrgangs erreichen und ihnen die Chance geben, diese Erfahrung zu machen. Daher müssen die Zugangshürden gesenkt und alle Schulformen in den Austausch einbezogen werden. Schüleraustausch muss aus seiner Elite-Luxus-Ecke herauskommen und Bestandteil des Curriculums, von Schulentwicklung werden. Dann kann er seine Wirkung voll entfalten.

Und es gibt eine ganz ausführliche Antwort.
Für die ist hier kein Platz. Leider. Wir können aber gern darüber reden. Vielleicht sollten wir das auch.


*Wobei das nicht dasselbe sein muss. Luxus ist vielleicht ja gar nicht überflüssig…

Veröffentlicht am: 27.09.2017
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