Good Practice

Internationalisierung fest verankert

"Peace and Diversity" an der HHS

Die Heinrich-Hertz-Schule (HHS) in Hamburg hat sich 2020 zum Ziel gesetzt, den internationalen Austausch konzeptionell neu aufzustellen. Bis dahin gab es an der Schule einzelne internationale Austauschaktivitäten, die lose voneinander stattfanden und an einzelnen Personen hingen.

Thorsten Reiter ist seit Sommer 2020 an der HHS und dort Koordinator für internationale Kooperationen. Davor war er im Auslandschuldienst in Kroatien, für diese Stelle ist er in seine alte Heimat zurückgekommen. „Als ich anfing, lagen durch Corona alle Austauschvorhaben brach. Vor Corona gab es vereinzelt Austauschprojekte mit Frankreich, Spanien, Alaska, Namibia. Letztere beide konnten sich wiederbeleben, alles andere musste ich von Null anfangen: erst Kontakte knüpfen und Leute ins Boot holen“, erzählt Thorsten Reiter.

Schritt 1: Status Quo erfassen und Verbündete finden

Der erste Schritt ging dabei „nach innen“: Thorsten Reiter wollte vorab die Stimmung im Kollegium zu einzelnen Punkten im Bereich Internationales erfassen. Zu diesem Zwecke führte er eine kleine Online-Umfrage im Rahmen einer Kollegiumskonferenz durch:

  • Ist kulturelle Vielfalt ein noch nicht ausreichend sichtbarer Teil des Schullebens an unserer Schule?
  • Sind Internationalität und Interkulturalität an unserer Schule sich bedingende und stärkende Elemente?
  • Braucht das gesamte Themenfeld eine breite, partizipative Organisationsform und Arbeitsstruktur?

Auf alle drei Fragen bekam Thorsten Reiter von einer großen Mehrheit der teilnehmenden Kolleg*innen Zustimmung. Somit wusste er, dass er den nötigen Rückhalt hat. Und auch die Schulleitung steht hinter dem Vorhaben: „Wir haben den Gedanken der Vernetzung, und auch die Erkenntnis: Nur gemeinsam kann man Dinge nachhaltig gestalten. Und dabei müssen wir natürlich über den Tellerrand hinaus gucken“, erklärt Schulleiterin Susanne Hilbig-Rehder.

Projekt "Creactive"

Im Kollegium hat Thorsten Reiter schnell Verbündete gefunden und es wurde die AG Internationales ins Leben gerufen. Nach dem Hamburger Modell können die Mitglieder dieser AG aus dem Topf der „Funktionszeiten“ eine Anrechnung von Stunden bekommen. Auch Thorsten Reiter hat neben seiner Lehrtätigkeit vier Wochenstunden für Internationales zur Verfügung.

Schritt 2: Vernetzung über die Schule hinaus

Die Corona-Zeit hat Thorsten Reiter für die Vernetzung genutzt: „Ich habe geschaut: Mit wem kann man sich vernetzen, wo gibt es Möglichkeiten anzudocken?“, erklärt er. Über die Initiative „Austausch macht Schule“ hat er zu Schule:Global von AJA gefunden und dort eine Schul-Coachin an die Seite gestellt bekommen. Sie begleitet die Schule vor Ort und unterstützt Thorsten Reiter dabei, den internationalen Austausch konzeptionell neu aufzustellen. Dabei geht es nicht nur darum, die Schüler:innen in die Welt zu schicken, sondern auch die Vielfalt innerhalb der Schule abzubilden. Dafür nahm die Schule zum Beispiel auch das Angebot „DIVE-IN“ der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung (BIE) am Landesinstitut in Hamburg in Anspruch, das die Ausbildung von Multiplikator:innen aus dem Kollegium beinhaltet. Alle Schüler:innen der gymnasialen Vorstufe ließen sich im Rahmen eines gesetzten Jahrgangsthemas dieses und letztes Jahr bei den Workshops „Colored Glasses“ von YFU zu den Themen Kultur, Vielfalt und Diskriminierung weiterbilden. 

Schritt 3: Bündelung der Ressourcen

Zum Friedenstag

Schritt drei zielte auf die Bündelung der Ressourcen an der Schule ab: Das Vorhaben war ambitioniert, viele Lehrkräfte wirkten mit, entsprechend musste organisiert werden. Eine AG wurde aufgestellt, diese schrieb einen Projektplan für zwei Jahre, mit Struktur samt Aufgabenverteilung, um Arbeits-Dopplungen zu vermeiden. In einem Padlet namens „Internationalisierung der HHS – Projektplan und Bausteine zu einer schulischen Gesamtkonzeption“ sammeln Thorsten Reiter und seine Kolleg:innen alles rund um die Internationalisierung: von Weiterbildungen und Ausschreibungen über Zwischenbilanzen und Planungen bis hin zu potentiellen Partnerschulen. So formulieren sie nicht nur ihre Ziele, sondern bringen durch die Form des Padlets Struktur in die internationalen Aktivitäten der Schule. „Wir nutzen das Padlet als Instrument für mich und für die AG, um den Arbeitsstand und den Verlauf zu dokumentieren, und um den Überblick zu behalten“, erklärt Thorsten Reiter. Und bevor in dem jungen Kollegium immer wieder die gleichen Fragen kommen, könne man auf das Padlet verweisen. „Was für uns schulintern das Padlet ist, ist für einen allgemeinen Überblick die Toolbox von „Austausch macht Schule“. Eine super Verbindung – an diesen beiden Orten sind alle Informationen gebündelt“, so Thorsten Reiter. 

Internationalisierung und Diversity

Eng verknüpft mit dem Thema Internationalisierung ist an der HHS das Thema Diversity. Mit vier Kolleg:innen hat Thorsten Reiter die AG Diversity unterstützt. Hilfreich sei dabei das Diversity-Training für Schulteams der Sekundarstufe namens DIVE-IN vom Landesinstitut Hamburg gewesen. Als erster Schritt werden innerhalb der Schule Netzwerke gebildet, längerfristig wollen sie auch mehr tun in Richtung Beschwerdemanagement, Prävention, Workshops, um das Thema bewusst zu bearbeiten in der Schule.

Das „Fest der Kulturen“ vor den Sommerferien sei eine gelungene Verbindung dieser beiden Bereiche gewesen – und ein voller Erfolg. Das Fest war gut besucht und erreichte somit die Öffentlichkeit, es konnte informieren über Internationalisierung und Diversity. „Es gab zum Beispiel zu Beginn des folgenden Schuljahrs eine Podiumsdiskussion zum Thema Rassismus in Deutschland. Diese Themen sind auf unserer Agenda und werden weiter bearbeitet“, so Thorsten Reiter. Für nächsten Sommer denkt er über einen Marktplatz zu Internationalem nach: Dort könnte von Austauschprojekten berichtet werden, die Fremdsprachassistent:innen für Fragen bereit stehen, die Austauschschüler:innen ein Programm gestalten und die Diversity AG ihre Themen vorstellen.

Zwischenbilanz

Italienaustausch

„Die ersten Schritte haben wir erfolgreich gemeistert, inklusive einer erfolgreichen Akkreditierung als Erasmus+ Schule. Nun gilt es, die Projekte ein Jahr lang vernünftig umzusetzen und dann darauf aufzubauen. Zudem müssen wir Routine bekommen mit den Antrags- und Abrechnungsformalitäten“, so Thorsten Reiter. Was Partnerländer betrifft, streckt er die Fühler in Richtung Skandinavien, Südamerika und Osteuropa aus, und sucht Wege für englischsprachige Partnerländer trotz Brexit.

Ein Ziel von Thorsten Reiter ist es zudem, dass eine jüngere Kollegin oder ein jüngerer Kollege die zweijährige Qualifizierung zur Interkulturellen Koordination (IKO) der Beratungsstelle Interkulturelle Erziehung am Landesinstitut Hamburg absolviert. „Dann wäre das Thema in der Schule noch fester verankert und institutionalisiert“, erklärt er.

Rückblickend fasst Thorsten Reiter zusammen: „Wir stiegen hochmotiviert ein, beschäftigten uns mit vielen Konferenzen und vernetzten uns. Irgendwann kam ein Punkt der Übersättigung – doch bald darauf bekam die Schule die Akkreditierung von Erasmus +, verbunden mit viel Geld, was zu neuer Motivation führte, die nächsten Schritte zu gehen.“

Was Thorsten Reiter zudem interessierten Schulen empfiehlt: „Wir haben angefangen, Austauschmessen zusammen mit AJA durchzuführen. Coronabedingt letztes Jahr ohne Eltern an unserer Schule, und was sich dieses Jahr als sehr lohnend erwiesen hat: Mit einer Nachbarschule zusammen an einem außerschulischen Ort, in einem Kulturzentrum. Zudem zu Uhrzeiten, die auch für Eltern machbar sind.“

Ein Beitrag von Christine Bertschi

Veröffentlicht am: 15.12.2022