Fachbeiträge

Wenn Azubis und Praktikanten neugierig aufs Nachbarland sind

Austausch in der Beruflichen Bildung mit dem Deutsch-Französischen Jugendwerk
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Das DFJW unterstützt jedes Jahr mehr als 400 junge Menschen aus Frankreich und Deutschland, die im Rahmen ihrer Berufsausbildung ein Praktikum im Nachbarland absolvieren möchten. Neben Hilfe bei bürokratischen Hürden gewährt es aber auch z.B. Reisekostenzuschüsse, etwa gezielt für junge Menschen, die sich einen Auslandsaufenthalt aus eigenen Mittel nicht leisten könnten.

Früher gingen die Junggesellen auf die Walz, um zu sehen, wie andernorts gearbeitet wurde. Heute bieten sich solche Gelegenheiten bereits während der Ausbildung oder gar schon davor in einem Praktikum. Wer sich in Frankreich umschauen möchte, findet im Deutsch-Französischen Jugendwerk (DFJW) einen starken Partner, der hilft, so manche bürokratische Hürde zu überwinden.

Immerhin bedarf es für solche Austausche nicht selten genug eines komplizierten Vertragsrahmens. Das schreckt offensichtlich noch immer viele Auszubildende wie Ausbildungsbetriebe vom Austauschabenteuer ab. Das DFJW hat für fast alle Konstellationen eine Lösung. Auch finanziell. Und für die Auffrischung oder Erweiterung der Sprachkenntnisse sowieso. Sogar den Austausch ganzer Gruppen ermöglicht es.

Zahlreiche Teilnehmer berichten nach ihrer Rückkehr, nicht nur fachlich neue Perspektiven kennengelernt zu haben, sondern auch in ihrer Persönlichkeitsentwicklung einen großen Schritt vorangekommen zu sein. In einem manchmal zwar unter Mühen, aber doch unaufhaltsam zusammenwachsenden Europa werden solche Kompetenzen immer stärker nachgefragt.

Lernen in einer Patisserie

„Als auszubildende Köchin möchte ich mein Handwerk möglichst gut beherrschen, verschiedene Gerichte und Arbeitsweisen kennenlernen. Aus diesem Grund kam mir ein Praktikum im „Land der Köche“ und der „Patisserie“ sehr gelegen.“

Justine aus Sachsen-Anhalt wusste genau, warum sie sich für ein mehrwöchiges Praktikum in der Hotelgastronomie in Westfrankreich entschied. Damit ist sie eine Ausnahme! Nur rund fünf Prozent der Azubis aus Deutschland gingen 2017 während ihrer Ausbildung ins Ausland. Zu diesem Ergebnis kommt die 2018 veröffentlichte Studie zu „Auslandsaufenthalten in der Berufsausbildung“.

Das sind zwar mehr als in den Jahren zuvor, aber immer noch deutlich weniger als unter jungen Menschen, die ein Hochschulstudium absolvieren. Zur 10%-Marke ist jedenfalls noch viel Luft nach oben. Immerhin hatte der Deutsche Bundestag 2013 das Ziel definiert, bis 2020 mindestens 10 Prozent der Auszubildenden eine Mobilitätserfahrung zu ermöglichen.

Fördermöglichkeiten erleichtern Austausch

Über ihre Berufsschule bekam Justine Unterstützung bei der Suche nach einem Praktikumsplatz in Frankreich und auch die Möglichkeit, ein Stipendium zu beantragen. Die finanzielle Hilfe war für sie ein wichtiges Argument, um sich auf das Abenteuer eines längeren Auslandsaufenthalts einzulassen. Doch dafür muss man erst einmal wissen, dass und wo es solche Fördermöglichkeiten überhaupt gibt. Fehlendes Wissen um finanzielle Unterstützungsangebote halten viele Berufsschulen und Betriebe davon ab, junge Menschen dazu zu ermuntern, einen Auslandsaufenthalt in ihre Ausbildung zu integrieren. Auch dies ist ein Ergebnis der Mobilitätsstudie.

Motoren funktionieren grenzübergreifend nach denselben Prinzipien

Das Deutsch-Französische Jugendwerk unterstützt jedes Jahr mehr als 400 junge Menschen aus Frankreich und Deutschland, die im Rahmen ihrer Berufsausbildung ein Praktikum im Nachbarland absolvieren möchten. Bei einem Pflichtpraktikum beträgt das Stipendium bis zu 300 € pro Monat. Es kann mit anderen Finanzhilfen, beispielsweise von Erasmus+ kumuliert werden. Zusätzlich gewährt das DFJW einen Reisekostenzuschuss. Die Unterstützung richtet sich gezielt an junge Menschen mit besonderem Förderbedarf, die sich einen Auslandsaufenthalt aus eigenen Mittel nicht leisten könnten.

Sprachkompetenzen aufbauen

Anna-Maria aus Nordrhein-Westfalen ging es in erster Linie um die Sprachkenntnisse, als sie 2017 ein mehrmonatiges Praktikum in Paris absolvierte:

„In meinem Bundesland gibt es einen großen Bedarf an Mitarbeitern, die Französisch sprechen können. Deshalb macht sich ein Auslandspraktikum dort im Lebenslauf besonders gut“,

ist sich die angehende kaufmännische Assistentin sicher. Inzwischen geht sie regelmäßig zum französischen Stammtisch in eine Bar ihrer Heimatstadt, um die Sprachkenntnisse nach ihrer Rückkehr weiter zu vertiefen. Aber auch schon vor dem Start ins Auslandspraktikum kann man sich auf der interaktiven Sprachlernplattform PARKUR (https://parkur.ofaj.org/) auf typische Situationen in der Fremdsprache vorbereiten. Von den 83 thematischen Lerninseln mit insgesamt 2.086 Übungen gehören „Mein erster Praktikumstag“ und „Ein Zimmer finden“ zu den beliebtesten.

Praktikum vor Studienbeginn: Die fachliche Kommunikation gelang Johannes von Tag zu Tag besser

Manche trauen sich auch ganz ohne sprachliche Vorkenntnisse ins Ausland, so wie drei französische Praktikanten, die gerade ihren Abschluss an der Ecole de Paris des Métiers de la Table (EPMT) gemacht haben und zurzeit ein zweimonatiges freiwilliges Praktikum in Düsseldorf im Bereich der Gastronomie absolvieren. Arbeit und Leben NRW hat vor Praktikumsbeginn eine intensive Vorbereitung angeboten, damit die drei zumindest einen „Überlebenswortschatz“ mit dem notwendigsten berufsspezifischem Vokabular zur einfachen Verständigung am Praktikumsplatz zur Verfügung haben.

Bürokratische Hürden überwinden

Ein freiwilliges Auslandspraktikum vor oder nach der Ausbildung birgt neben der Sprache noch eine weitere Hürde, wenn es in Richtung Frankreich geht. Dort braucht man für ein Praktikum unbedingt eine Vereinbarung, die nicht nur vom Praktikanten und dem Praktikumsbetrieb abgeschlossen werden muss, sondern auch von einer Ausbildungseinrichtung. Junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren mit Wohnsitz in Deutschland, die sich gerade nicht in einer Ausbildung oder einem Arbeitsverhältnis befinden, können für die Praktikumsvereinbarung den deutsch-französischen Praktikantenstatus über das Programm PRAXES in Anspruch nehmen. Dieses Angebot umfasst auch eine Zusatzversicherung für die Zeit im Ausland und ein Jobboard mit Praktikumsangeboten.

Auch das Schweißen können Austauschazubis im Nachbarland lernen.

Dank eines Auslandspraktikums lernt man nicht nur den Berufsalltag und das Leben im anderen Land kennen, sondern erweitert auch den persönlichen Horizont. Greta aus Bayern, Berufsschülerin in der 11. Klasse, zieht rückblickend eine positive Bilanz ihres Praktikums, das sie in die Normandie führte:

„Das aktive Erleben einer anderen Lebensart und Kultur hilft, offener, sozialer und unabhängiger ins Leben zu gehen.“

Solche Soft Skills können später bei einem Vorstellungsgespräch den Ausschlag geben, wenn man sie gut dokumentieren und beschreiben kann. Dabei hilft das Tool AKI-App mit dem man vor dem Auslandsaufenthalt eine Bilanz der eigenen Kompetenzen machen und nach dem Praktikum die Entwicklung veranschaulichen kann.

Fachliche und persönliche Horizonterweiterung

Vier junge Leute aus dem 1. Ausbildungsjahr an einer Fachschule für Sozialpädagogik aus Hessen wollten partout nicht allein ins Ausland aufbrechen. Sie entschieden sich, gemeinsam nach Frankreich zu fahren und am gleichen Ort ein Praktikum zu machen:

„Es benötigt etwas Mut und Durchhaltevermögen diesen Schritt zu wagen, doch wir möchten diese Erfahrung in keinem Fall missen. Das Praktikum war eine wertvolle Erfahrung für uns alle. Wir sind selbstständiger geworden“, berichten sie bei ihrer Rückkehr.

Ein Gruppenaustausch zwischen Berufsschulen und anderen Einrichtungen der beruflichen Bildung mit einer vergleichbaren Institution im Partnerland ist oft die erste Auslandserfahrung junger Menschen in der Berufsausbildung.

Praktikant Johannes lernte von seinem Chef Nicolas Deschars viel Neues.

Solche Austauschprojekte bieten den Teilnehmenden einen sicheren Rahmen. Nicht selten beruht die Zusammenarbeit auf Partnerschaften zwischen Städten und Gemeinden oder zwischen einzelnen Bildungseinrichtungen, die regelmäßig Austauschprojekte anbieten. Meist sind es engagierte Lehrkräfte, die das Ganze planen und eine finanzielle Förderung für die Reise-, Aufenthalts- und Programmkosten beim DFJW beantragen. 2018 wurden insgesamt 7.677 Teilnehmende aus Deutschland und Frankreich über das DFJW gefördert, weibliche und männliche waren dabei annähernd in gleichem Maße vertreten.

Austausch auch für Gruppen möglich

Während auf deutscher Seite ein großer Anteil an Auszubildenden teilnehmen, sind es auf französischer Seite verstärkt Schüler und Berufsschüler. Dieser Befund entspricht der unterschiedlichen institutionellen Organisation der Berufsausbildung diesseits und jenseits des Rheins. Auf beiden Seiten gibt es unter den Teilnehmern einen nicht geringen Anteil, die das 18. Lebensjahr noch nicht erreicht haben. Gerade für diese noch sehr jungen Menschen ist ein Gruppenaustauschprogramm mit Bezug zu ihrem zukünftigen Berufsfeld oft die erste prägende Begegnung mit dem Partnerland. Im Idealfall kann dies dazu beitragen, Hemmschwellen zu überwinden und die Teilnehmer dazu anregen, weitere deutsch-französische bzw. europäische Mobilitätsprogramme zu nutzen.


Zum Text:
Die Autorin Sandra Schmidt leitet in der Pariser Zentrale des DFJW das Referat für Berufsausbildung, Hochschulaustausch und Freiwilligendienst.
Der Text ist eine Übernahme aus Berufsreport mit freundlicher Genehmigung des DFJW.

 

Veröffentlicht am: 04.11.2019
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