Veranstaltungsbericht

Krieg in Europa - Herausforderungen für die europäische und internationale Bildungsarbeit

Fachgespräch am 26.4. - in Kooperation von »Austausch macht Schule« und Europäischer Akademie Berlin
Internationaler Jugend- und Schüleraustausch ist Friedensarbeit

Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine und die Kriegs­verbrechen gegen die ukrainische Zivilbevölkerung haben Europa nicht nur erschüttert, sondern auch in der Solidarität mit der Ukraine geeint. Deutschland und andere EU-Staaten nehmen Millionen Geflüchtete auf – hauptsächlich Frauen, Kinder und Jugendliche. Diese müssen ins Bildungssystem integriert werden. Damit stellt sich für viele Einrichtungen der internationalen Jugendarbeit und der politischen Bildung die Frage, wie sie mit ihren Angeboten auf die aktuelle Lage reagieren können.

Mit dem Fachgespräch sollte am 26. April 2022 ein erster Beitrag zur aktuellen Diskussion geleistet werden. Eingeladen waren Vertreterinnen und Vertreter der Fachstellen sowie Akteure der Internationalen Jugendarbeit, Austauschorganisationen und Informationszentren, Bildungsträger der politischen und Europabildung sowie Vertreter*innen ukrainischer Organisationen in Deutschland, der Bundes- und Landespolitik.


Im Folgenden dokumentieren wir den Verlauf der Veranstaltung durch Zitate aus einzelnen Beiträgen. Weiter unten finden Sie eine Playlist mit einigen Videomitschnitten, in deren Youtube-Video-Beschreibungen Sie die einzelnen Beiträge in Zusammenfassungen nachlesen können. Die Texte der Beiträge sind ausführlicher in einer PDF-Dokumentation zu finden (als Download).

Begrüßung durch die Veranstalter
 

Tobias Bütow (DFJW)

Tobias Bütow
Generalsekretär Deutsch-Französisches Jugendwerk, Sprecher der Initiative »Austausch macht Schule«

„Jugendaustausch ist konkrete Friedens- und Zukunftsarbeit.
Junge Menschen sehen sich heute mit diversen Krisen konfrontiert: Zwei Jahre Pandemie, Klimawandel und nun die Fragen von Krieg und Frieden inmitten Europas. Wir stehen in der Verantwortung, sie in dieser schweren Situation zu begleiten, zu unterstützen und zu Engagement zu befähigen.

„Es ist eine riesige Aufgabe, den ukrainischen Kindern und Jugendlichen die Fortsetzung ihrer Schulbildung, aber auch ihrer Jugend zu ermöglichen. Ansonsten werden die langfristigen Folgen enorm.“
 

Dr. Christian Johann (EAB)

Dr. Christian Johann
Direktor der Europäischen Akademie Berlin

„Frieden und Zukunft beschäftigen uns alle. Aber der wesentliche Punkt ist dabei die Arbeit: Daran zu arbeiten, Verständnis zu finden, Formate zu entwickeln und Antworten zu suchen.

Unser Betrag als Europäische Akademie soll darin bestehen, als Teil der organisierten Zivilgesellschaft Ihre Arbeit zu unterstützen. Wir bringen das Angebot mit, alles das, was in Runden wie diesen entwickelt wird, schnell und experimentell umzusetzen. Denn wir wollen gern neue Wege gehen und auch solche Ansätze ausprobieren.“


Grußwort

Astrid-Sabine Busse Senatorin Astrid-Sabine Busse, Senatorin für Bildung, Jugend und Familie (Berlin)

Astrid-Sabine Busse
Berliner Senatorin für Bildung, Jugend und Familie und 1. Vizepräsidentin der Kultusministerkonferenz

„Ich begrüße es, wie schnell und flexibel die Fach- und Förderstellen inhaltlich auf diesen Krieg reagiert haben, Ausschreibungen und Programmlinien wurden bereits auf den Weg gebracht. Vor allem mit dem Schwerpunkt auf Friedensarbeit, Demokratieförderung, Mehrsprachigkeit und Solidarität.“


Impuls

Maria Bering
Abteilungsleiterin „Geschichte, Erinnerung“ Leitung Task Force Ukraine
bei der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM)


Personen und Projekte
 

Oksana Sulyma

Oksana Sulyma
Beauftragte der Stadt Irpin für Internationale Zusammenarbeit

„Wir wurden in Deutschland von Partnern aufgenommen und fühlen uns hier gut und sicher. Aber ich möchte betonen, dass wir nicht nur nehmen und lernen können, sondern auch bereit sind, mitzuarbeiten und unser Wissen zu teilen.

Für die weitere Arbeit mit Jugendlichen scheint es mir vor allem wichtig, gegen den Hass vorzugehen: Durchaus verständlich, wenn sich Jugendliche über die Zerstörungen und Aggressionen empören, die sie erlebt haben. Aber wir müssen das früh auffangen. Viele kämpfen mit Verlusterfahrungen oder bereuen getroffene Entscheidungen. Hier braucht es Angebote der psychologischen Betreuung.

Wir sind Europäerinnen und Europäer, die im Frieden mit ihren Nachbarn leben wollen. Seit Jahren kämpfen wir dafür, unsere gemeinsamen europäischen Werte in einer freien Gesellschaft zu leben. Es ist mir sehr wichtig, dass die Europäer das verstehen und anerkennen.“

 

Jacob Riemer (DRA e.V.)

Jacob Riemer
Projektkoordinator bei DRA e.V.

„Fragen der Schülerinnen und Schüler zu beantworten, bedeutet nicht nur, Schulgemeinschaften zu stabilisieren oder Jugendlichen Orientierung zu geben, sondern es ist letztlich ein wichtiger Auftrag der Krisenreaktion. Es ist ein Beitrag, junge Menschen sensibel für die Bedürfnisse ihrer Altersgenossinnen und -genossen zu machen und damit Hilfe zu ermöglichen.“

„Der Raum Schule ist sehr stark mit Emotionen, Narrativen und Deutungen aufgeladen. Schule ist ein Spiegel unserer Gesellschaft. Dessen müssen wir uns bewusst sein und diese Situation mittragen, da sie einen ganz deutlichen Widerhall in der Schule hat.“

„Die Kooperation von Schule und außerschulischen Partnern konnte unkompliziert erfolgen und wurde finanziell wir strukturell unterstützt. Ich glaube, ein solches Vorgehen ist gerade in der aktuellen Situation besonders notwendig.“

Ankündigung des 'Schulprojektes':
Osteuropa-Expert*innen erklären Hintergründe zum russischen Angriff auf die Ukraine an der Schule

Facebook-Nachricht über das „Kick Off Meeting zum Schulprojekt'

 

Tetiana Kriukovska (Bredbeck)

Tetiana Kriukovska
Bildungsstätte Bredbeck / NGO ›Tolerance in You‹

„Gerade vor dem Hintergrund der politischen Lage braucht es  langfristig mehr Austausch zwischen Jugendlichen aus Deutschland und der Ukraine. Außerdem ist es notwendig, sich mit Methoden zur Entwicklung des kritischen Denkens zu beschäftigen, denn der Informationskrieg in den EU-Ländern wird wesentlich unterschätzt.“

„Momentan erlebt die ukrainische Gesellschaft eine Phase des Hasses, und unsere Aufgabe besteht darin, dieses Gefühl mit nachhaltigen Methoden zu bearbeiten – mit Kunst, Kreativität, Empathie und interaktiven Spielen.“

Likhtar und andere Osteuropa-bezogene Projekte der Bildungsstätte Bredbeck

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Weitere Informationen zum Projekt Likhtar und anderen Osteuropa-bezogene Projekten der Bildungsstätte Bredbeck

 

Kirsten Dallmann (Bildungsstätte Bredbeck)

Kirsten Dallmann
Leiterin der Bildungsstätte Bredbeck

„Wir brauchen jetzt mehrere Dinge gleichzeitig: Einerseits braucht es konkrete Hilfen, etwa Informationen in der Schule, also auf der Ebene der Teilnehmenden.

Wir brauchen aber auch auf Ebene der Multiplikatoren mehr Zeit für Diskurse, mehr Kompetenz und mehr Mut, diese Fragestellungen in Tiefe anzugehen. Fragen wie die nach deutscher Militärhilfe können wir in der internationalen Bildung viel besser angehen, nämlich von verschiedenen Seiten.“


Diskussionsbeiträge
 

Thomas Hetzer (DPJW)

Thomas Hetzer
Referatsleiter Förderung außerschulischer Jugendaustausch, Deutsch-Polnisches Jugendwerk (DPJW)

„Das Thema Krieg spielt selbst bei eindeutigen Sport- oder Musikbegegnungen eine Rolle, weil der Krieg nicht erst am 24. Februar begonnen hat, sondern schon 2014. Wir sollten deshalb auch eine therapeutische Begleitung bei Projekten mit der Ukraine unterstützen.

Wir selbst konnten vor der Pandemie über 100 Projekte mit der Ukraine fördern und pflegen Kontakte zu ca. 300 aktiven ukrainischen Trägern. Wir haben sehr schnell ein Programm aufgelegt, damit auch ukrainische Partner nun Projekte durchführen können.“

 

Ljudmyla Melnyk

Ljudmyla Melnyk
Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Institut für Europäische Politik

„Zum Osteuropaverständnis war die öffentliche Wahrnehmung in Deutschland doch sehr auf Russland konzentriert. Es sollten aber auch andere Stimmen aus Osteuropa mehr Raum erhalten.

Wir sollten langfristig überlegen, wie verlässliche Rahmen für den Jugendaustausch mit der Ukraine geschaffen werden können. Außerdem fehlt es an Pilotstudien, die Auskunft über die wirklichen Bedürfnisse der jungen Menschen geben, die jetzt nach Deutschland gekommen sind.“

 

Daniel Kraft (BpB)

Daniel Kraft
Pressesprecher und Leiter Kommunikation, Bundeszentrale politische Bildung (BpB)

„Beim Umgang mit Krisen kann Deutschland von der Ukraine und den kleineren Staaten Mittel- und Osteuropas lernen.“

„Wir müssen in Zukunft endlich den mittel- und osteuropäischen Staaten besser zuhören! Waren sie es doch auch, die uns wieder vor Putins Russland gewarnt hatten.“

„Zu Fragen von Desinformation und Fake News gibt es ein riesiges Angebot und es wächst täglich. Es liegt also nicht an fehlender Information, sondern wir dringen mit diesen Angeboten oft nicht durch. Auch, weil sie nicht Bestandteil des regulären Schulunterrichts sind.“

„Auch im Schüler- und Jugendaustausch wurden aus falsch verstandenen Rücksichtnahme auf das große Russland die Bedürfnisse der Ukrainer so manches Mal übersehen. Damit sollte ein für alle Mal Schluss sein.“

 

Kateryna Stetsevych
Referentin für Mittel- und Osteuropa, Bundeszentrale politische Bildung (BpB)

„Beim Thema Desinformation aus Russland müssen wir uns selbstkritisch befragen: Wie können wir mit dem in der politischen Bildung geltenden Gebot der Kontroversität leben, wenn sich eine Seite nicht an die Regeln hält, sondern Lügen und Propaganda verbreitet? Wie können wir kontrovers berichten, ohne Plattformen für Propaganda zu bieten?“

 

Ole Jantschek (Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitische Jugendbildung)

Ole Jantschek
Pädagogischer Leiter der Ev. Trägergruppe für gesellschaftspolitsche Jugendbildung

„Wir müssen sehr genau schauen, mit welchen Formaten und z.B. kreativen Methoden wir Begegnungen ermöglichen, vielleicht auch als Vorstufe, um Zugänge zu politischer Bildung zu schaffen. Die Politische Bildung in Deutschland kann da von der Internationalen Jugendarbeit lernen.“

„Wir sollten Desinformation und autoritäre Versuchung auch in unserer Gesellschaft im Blick behalten. Gerade in diesem Punkte sehe ich eine große Chance, voneinander, von den Menschen aus der Ukraine zu lernen.“

Frage an Oksana Sulyma:
"Оксано, як ви бачите подвійне відвідування шкільних систем (української та німецької) паралельно? які пріоритети слід розставити i чи потрiбно це на Вашу думку? Дякую, Алла."
("Oksana, wie sehen Sie den doppelten parallelen Besuch der Schulsysteme (ukrainische und deutsch)? Welche Prioritäten sollten gesetzt werden und braucht es das Ihrer Meinung nach? Danke, Alla")

Antwort Oksana Sulyma:
"Алла, дітям звичайно складно, на мою думку дітям достатньо відвідування німецької школи, вони потребують перш за все спокою і психологічної стабільності. І паралельне відвідування звичайно це велике навантаження."
("Alla, die Kinder haben es meistens schwer. Meiner Meinung nach reicht es aus, wenn Kinder eine deutsche Schule besuchen. Sie brauchen vor allem Ruhe und psychische Stabilität. Und ein paralleler Besuch ist meist eine große Belastung.")

Klaus Waiditschka:
"Wir brauchen Bildungsarbeit gegen den Hass (z.B. Russische Föderation = 'Mordor') und müssen differenzierte Information gegen Schwarz-Weiß-Denken setzen. Der Kern internationaler Jugendarbeit ist Begegnung - kann dies auch Begegnung zwischen jungen Menschen aus Russland und der Ukraine auf deutschem Boden bedeuten?

Antwort Oksana Sulyma:
"Leider noch nicht. Das ist zur Zeit unmöglich und von den ukrainischen Jugendlichen nicht gewünscht."

Nina Festing (Transfer e.V.):
"transfer e.V. mit Sitz in Köln ist koordinierende Stelle von Forschung und Praxis im Dialog – Internationale Jugendarbeit (FPD) . Das bundesweit agierende Netzwerk unterstützt seit 1989 den interdisziplinären und trägerübergreifenden Austausch zwischen Wissenschaft und Praxis im Handlungsfeld der Internationalen Jugendarbeit und des Kinder- und Jugendreisens. Aktuelle Themen und Handlungsbedarfe werden durch gemeinsame Projekte aufgegriffen und bearbeitet - Der Krieg in der Ukraine und seine Auswirkungen auf junge Menschen und unser Arbeitsfeld werden natürlich zwangsläufig vom Netzwerk aufgegriffen werden.

Wir haben zunächst ein besonderes Interesse daran Bedarfe der Praxis und Forschung zu sammeln und daraus gemeinsame Projekte zu entwickeln und ggf. in bestehende Projekte zu integrieren oder einzusteigen. Vielen Dank an die Organisation dieser Veranstaltung, die dafür ein guter Auftakt sein kann. Bitte kommen Sie gerne mit Ideen und Bedarfen auf uns zu, besuchen Sie unsere (digitalen) Netzwerkveranstaltungen und Projektentwicklungswerkstatt. Halten Sie sich über weitere Veranstaltungen und Projektneuigkeiten gerne über unseren Newsletter auf dem Laufenden.

transfer e.V. hat ebenfalls Erfahrung mit Methoden in der Engagementförderung, mit der Einbindung von jungen Menschen mit Fluchtgeschichte als Teilnehmende und Teamer:innen in Maßnahmen der (internationalen) Kinder- und Jugendarbeit und Jugendfreizeitprogrammen und im Rahmen der Arbeit mit Fachkräften als Fortbildungsreihen zu Flucht und Asyl.

Kontakt: Nina Festing, [email protected], www.transfer-ev.de"

Prof. Andreas Thimmel:
"Ich unterstütze den Punkt von Frau Melnyk, dass wir den Jugendaustausch mit der Ukraine institutionell stärken müssen, aber wir brauchen nicht weiter die Fragmentierung in differente Jugendwerke, sondern die finanzielle und personelle Stärkung auf lokaler und regionaler Ebene der internationalen Jugendarbeit, und natürlich jetzt besonders mit der Ukraine."

"Der zweite Punkt von Frau Melynk ist unbedingt zu unterstützen. Wir brauchen eine sozialwissenschaftliche praxisbezogene Dauerbeobachtung und Forschung, der (positiven) Entwicklung, die gerade im außerschulischen und schulischen Bildungsfeld passiert plus der vergleichenden Perspektive die Herr Kraft gerade stark macht. Aber das muss jetzt auch finanziert werden."

Tetiana Kriukovska:
Unfortunately,  I was interrupted. So I had to leave my thoughts about challenges for international educational work here and contacts of our project  for the cooperation:
- the impact of political crisis between Germany and Ukraine to the civil societies
- attitude to the Ukrainians not like to the object, but to the subject
- time for peacebuilding methods haven’t come yet, unfortunately
- high role of education in sphere of critical thinking during the informational war
- working with trauma based on knowledge about stages of working with trauma; using art as an instrument.
LIKHTAR PROJECT - Tanya Krukovska ([email protected], Tel. +49 1522 61 77 157)

Thomas Hetzer (DPJW/PNWM):
"Die Jugendwerke haben einen guten Ruf, aber die wenigsten wissen, was sie sind. Seit vielen Jahren weisen wir darauf hin, dass ein 'klassisches' Jugendwerk nicht in jeder Länderkonstellation passt. Deshalb gibt es auch  die Koordinierungszentren, die zwar nicht so flexibel agieren können, aber oft besser 'passen'. Der Hinweis übersieht leider auch die Schwächen des deutschen Förderalismus: Schulisch (Ländersache) ./. Außerschulisch oder auch Jugendarbeit (Kommunale Aufgabe) / Internationale Jugendarbeit (zentralisiert, eine mögliche Bundesaufgabe).

Pawel Prokop (Volksbund Kriegsgräberfürsorge):
"Die beiden letzten Beiträge [der BpB] sind aus meiner Sicht sehr wichtig. Stichwort "russische Brille"

Georg Pirker (AdB / DARE network):
"In der Ukraine wurde in den letzten Jahren eine große Curricula Reform angegangen (wenn auch nicht komplett zu Ende geführt), die auf dem Referenzrahmen des Europarats für politische Bildung beruht. Es gibt daher gerade im schulischen Bereich unglaublich viele Anknüpfungspunkte für politische Bildung. mehr dazu bei European Wergeland Centre https://theewc.org/westandwithukraine/ "

Einzelne Redebeiträge der Veranstaltung sind auch als Video verfügbar. Die ausführlichen Texte der Beiträge finden Sie in einer PDF-Dokumentation zum Download.

Veröffentlicht am: 02.05.2022
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